Montag, 27. Mai 2013

Wie man schneller stirbt

Heute hätte meine Mutter ihren 85. Geburtstag gefeiert. 
Sie war gelernte Krankenschwester und starb schon 1987 an Krebs - im Alter von nur 58 Jahren. Wie ich dem bemerkenswerten Buch von Jennifer Ackermann "24 Stunden: Ein Tag im Leben deines Körpers" entnehmen konnte, besteht möglicherweise ein Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und ihrer späteren Erkrankung. Dazu später mehr. Holen wir zunächst ein wenig aus.

Warum wir nicht unsterblich sind


"Religion ist, wenn man trotzdem stirbt.."
(Jürgen Becker, Kabarettist)

Unsterbliche Menschen - da stimmen einem sogar Kreationisten zu - hat die Welt bisher noch nicht gesehen. Sogar Jesus von Nazareth "schrie laut und verschied" (Markus 15:37).
Der nachweislich älteste Mensch, den wir kennen, wurde 122 Jahre und 164 Tage alt. Dabei handelte es sich um die Bretonin Jeanne Calment. Im Durchschnitt werden Menschen aber nur rund 80 Jahre alt und leiden im Alter auch noch häufig an Demenz. Das Altern macht also wenig Spaß.
Schuld ist normalerweise - stirbt man nicht gerade eines unnatürlichen Todes - ein Mechanismus, der bei der Zellteilung wirksam ist und menschliche Zellen nach einer bestimmten Anzahl von Teilungen zum unvermeidlichen Zelltod verdammt (Krebszellen ausgenommen, aber auch das ist wenig tröstlich). Die Rede ist von den so genannten Telomeren.


Telomere (weiß) am Ende der Chromosomen (grau)
Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Telomere_caps.gif (gemeinfrei)

Die Telomere sitzen wie Kappen auf den Chromosomenenden (ähnlich wir die kleinen Plastikkappen auf Schnürsenkelenden) und verhindern, dass sich die Erbsubstanz DNA dazwischen auftrennt. Jedes Mal, wenn sich eine Zelle teilt, verliert sie ein kleines Stück ihrer Telomere. Nach vielen Zellteilungen sind die Telomere so kurz geworden, dass die Zelle sich nicht mehr teilen kann und abstirbt - der Schnürsenkel zerfranst sozusagen.
Gegen diesen Mechanismus des programmierten Zelltods hilft nichts - keine gesunde Ernährung und keine Anti-Aging-Creme.
Umgekehrt jedoch kann man den Zelltod hervorragend beschleunigen - zum Beispiel durch Stress, falsche Ernährung - und Schlafmangel.

Stress tötet - Schlafmangel auch

"Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen.
Aber denken wir an die einzige Alternative." (Robert Lembke)

Grabplatte im Altenberger Dom: Das Leben ist hart - und endet meistens mit dem Tod.


Bei stark gestressten Menschen sind die Telomere wesentlich kürzer als bei nicht gestressten Menschen - und die Aktivität eines Enzyms namens Teleomerase ist bei dieser Personengruppe deutlich verringert. Dieses Enzym hilft, die Telomere zu erhalten. Dieser Prozess der schnelleren Zellalterung erklärt laut Forschern, warum extrem dauergestresste Menschen so verhärmt aussehen - sie sind im Verhältnis zur Vergleichsgruppe um etwa 9 bis 17 Jahre gealtert.
Ursache ist vermutlich eine hohe Konzentration an so genannten "freien Radikalen" (sehr reaktionsfreudige Moleküle, die Zellschäden hervorrufen), ausgelöst von Stresshormonen, die die Telomeraseaktivität behindern.

Schichtdienst macht krank

"Man wird alt, wenn die Leute anfangen zu sagen,
dass man jung aussieht." (Karl Dall)

St.-Nikolaus-Hospital in Rheinberg (vor dem Abriss).
Hier wurde der Autor dieses Beitrags 1967 geboren.

Die Tradition überlanger Arbeitszeiten für medizinisches Personal geht auf William Stewart Halsted zurück, der um die Wende zum 20. Jahrhundert im Baltimorer Johns Hopkins Hospital als Chirurg arbeitete. Sein Credo: Junge Ärzte sollten möglichst im Krankenhaus leben und rund um die Uhr arbeiten - je mehr Patienten sie sähen, umso besser.
Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Halsted kokainsüchtig war.

Krankenschwestern, die zehn Jahre lang im Nachtdienst gearbeitet hatten, haben im Vergleich zu ihren Kolleginnen, die nur tagsüber arbeiteten, ein um 60 Prozent höheres Risiko für Brustkrebs und auch ein erhöhtes Risiko für Dickdarmkrebs. Dies zeigte die "Nurses' Health Study" mit immerhin 78.000 Teilnehmerinnen. Eine japanische Studie mit über 14.000 Männern ergab, dass Arbeiter, die zwischen Tag- und Nachtschicht wechselten, ein über 30 Prozent erhöhtes Risiko haben, an Prostatakrebs zu erkranken.

Das wirft Fragen auf:
  • War dies möglicherweise die Ursache für die Krebserkrankung meiner Mutter?
  • Sollte man Schichtdienste nicht generell verbieten oder zumindest auf ein lebensnotwendiges Minimum reduzieren?
  • Kann man jungen Menschen überhaupt noch guten Gewissens empfehlen, den Beruf des Gesundheits-/Krankenpflegers zu ergreifen?

Auch für Langlebige dauert ein Menschenleben nur etwa 700.000 Stunden (von denen bei mir als 45-Jährigem bereits 394.200 verstrichen sind). Aber wäre es nicht schön, wenn man zumindest annähernd an die obere Altersgrenze herankommen würde? Die Rekordhalterin Jeanne Calment war ironischerweise Zeit ihres Lebens Raucherin (seit 1896, um genau zu sein) und versuchte erst 1992 (mit 117 Jahren und auch weitgehend vergeblich) das Rauchen aufzugeben. Ihr Rekord-Alter führte Jeanne Calment selbst übrigens auf den Genuss von Gemüse, Olivenöl, Knoblauch - und Portwein zurück.

In diesem Sinne: Leben Sie gesund, machen Sie sich keinen unnötigen Stress - und schlafen Sie mal wieder aus! Santé!



Weblinks.

Welt.de: Warum Christian Wulff schneller alterte:
http://www.welt.de/gesundheit/article121941532/Warum-Christian-Wulff-so-schnell-gealtert-ist.html

Welt.de: Wie Forscher den Alterungsprozess aufhalten wollen:
http://www.welt.de/wissenschaft/article151219588/Wie-Forscher-den-Alterungsprozess-aufhalten-wollen.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen