Samstag, 27. Februar 2016

Die unsterbliche Seele und das Lächeln deiner Mutter

"Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt, aber nicht weiß."
(Fjodor Michailowitsch Dostojewski)

Woraus besteht die Seele des Menschen? Gibt es sie überhaupt? Die Neurobiologie hat schon länger die Antwort. Allerdings ist dies bei den meisten Menschen noch nicht angekommen.

In meiner Lieblingsfolge der amerikanischen Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" wird Captain Kirk Opfer eines Beam-Unfalls. Nach Kontakt mit einem gelben Metall wird der Captain vom Transporterstrahl in zwei Hälften gespalten: in eine gute und eine böse. Während der "gute" Kirk nett und warmherzig durchs Schiff wandert, fordert der "böse" vom Bordarzt rabiat eine Flasche Brandy, kippt sich diese zügig hinter die Binde und fällt umgehend über ein blondes weibliches Besatzungsmitglied her.

Einige Ereignisse weiter stellt sich heraus, dass beiden Exemplaren wesentliche Eigenschaften des jeweils anderen fehlen. So hat der "gute" Kirk zwar keinerlei Angst, allerdings ist er unfähig, Entscheidungen zu treffen, da er es jedem recht machen möchte, womit wiederum der "böse" Kirk keinerlei Probleme hat und beispielsweise vollkommen empathiefrei entscheidet, mal eben ein paar Besatzungsmitglieder auf dem Planeten unter sich erfrieren zu lassen. Jedoch steckt dieser voller Angst vor der eigenen drohenden Vernichtung und bricht schlussendlich weinend in den Armen des "guten" Kirk zusammen.

Das Happy End: Beide Kirks werden einmal hinunter- und wieder heraufgebeamt und sind wieder EIN Kirk - EIN Mensch mit allen seinen "guten" und allen seinen "bösen" Eigenschaften. 
Fazit: Die Eigenschaften der Persönlichkeit Kirks sind wie bei allen Menschen eigentlich weder gut noch böse, erst deren Mischverhältnis und Grad der Aktivität und Ausprägung entscheiden, ob er "gut" oder "böse" handelt.



"Ich bin Captain Kirk!" - die böse Seite des in zwei Hälften gespaltenen Captains rastet aus.


Was den Machern des Films wohl in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht bewusst war: Sie haben mit ihrer Aufteilung der menschlichen Psyche den jüngsten Erkenntnissen der Neurobiologie vorgegriffen. Heutzutage würde man es so formulieren: Beim "guten" Kirk sind Bereiche des Gehirns, die für Empathie und Mitgefühl zuständig sind, weiterhin aktiv, während sie es beim "bösen" Captain nicht sind, der zudem offenbar im Bereich des orbitofrontalen Cortex keine nennenswerte Aktivität mehr aufweist, denn dieser ist zuständig für die moralische Bewertung menschlichen Handelns (weiter unten mehr dazu). Dafür scheint der "böse" Kirk stark von seiner Amygdala (genauer: seinen Amygdalae - es gibt zwei davon), dem "Angstzentrum", gesteuert  zu werden, welche wiederum beim "guten" Kirk nicht aktiv ist.

Falls Sie jetzt stutzen und denken: Moment mal, meine unsterbliche Seele kann man doch nicht einfach mal eben so irgendwelchen Gehirnlappen zuordnen und diese ein- und ausschalten, so muss ich Sie enttäuschen: Doch, man kann! Und unsterblich ist Ihre Seele leider auch nicht. Dies schon mal vorweg.


Die so genannte Seele

"Ich habe so viele Leichen seziert und nie eine Seele gefunden."
(Rudolf Virchow)

Der Begriff "Seele" stammt aus dem Altgermanischen und hat die Grundbedeutung "die zum See Gehörende". Nach altgermanischer Vorstellung wohnten die Seelen der Ungeborenen und Toten im Wasser. Da der Begriff "Seele" im Alltag oft gebraucht wird, stellt sich das Problem, dass zwar viele etwas Ähnliches, letztlich aber alles etwas Anderes darunter verstehen.

Neurobiologen verstehen darunter eine Mischung aus:
  1. Stressverarbeitungs- und Selbstberuhigungssystem
  2. Bindungs- und Motivationsfähigkeit
  3. Lern- und Sozialisationsresultaten
  4. Impulshemmung und Risikowahrnehmung
Würde man den Zustand dieser vier Systeme bei einem Menschen genau kennen (was in der Regel nicht der Fall ist), könnte man sein Verhalten exakt vorhersagen. Und diese Systeme lassen sich in der Tat bestimmten Hirn-Arealen zuordnen, ihre Entwicklung beginnt zum Teil bereits vor unserer Geburt. Und das Lächeln unserer Mütter spielt dabei eine ganz zentrale Rolle.


1. Das Stressverarbeitungs- und Selbstberuhigungssystem

"Furcht besiegt mehr Menschen als irgendetwas anderes auf der Welt."
(Ralph W. Emerson)

"Es ist nichts zu fürchten als die Furcht."
(Ludwig Börne)


"Keine Experimente!" - Das Festhalten an Gewohntem wird vom Gehirn als Belohnung empfunden. Konrad Adenauer gewann die Wahl mit großer Mehrheit.

Von CDU - Diese Datei wurde Wikimedia Commons freundlicherweise von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen eines Kooperationsprojektes zur Verfügung gestellt. CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16173764


Die berüchtigte "German Angst"


Woher kommt die Angst? Gerade uns Deutschen sagt man nach, ein besonders ängstliches Volk zu sein. Der Durchschnittsdeutsche hat Angst vor Atomenergie, vor drohendem sozialen Absturz, vor "Überfremdung", vor Fluglärm, vor Dieben, Impfschäden, Lebensmittelgiften und Handy-Strahlen. Ich hatte einmal eine (übrigens sehr nette) Kollegin, die sogar den Firmen-Monitor ihres Computers im Büro auf gesundheitsgefährdende Strahlung hin untersuchen ließ. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sie nebenbei eine starke Raucherin war.

An erster Stelle rangiert bei uns Deutschen die Angst vor Veränderungen. Wir stecken voller Verlust-Aversionen. Dabei wurden die alten Germanen noch als äußerst mutige und furchtlose Gestalten beschrieben. Was ist passiert? Nun, hier werden schlicht Äpfel mit Birnen verglichen, denn Angst und Furcht sind zwei grundsätzlich verschiedene Dinge. Furcht empfindet man beim Anblick einer großen Giftspinne, und das ist auch sehr gut so. Wer sich vor großen Giftspinnen nicht fürchtet, möchte sie vielleicht auf den Arm nehmen und streicheln - und könnte überraschend Probleme bekommen, seine Gene an die nächste Generation weiterzuvererben. 
Angst hingegen kann man auch haben, ohne dass die Spinne im Raum ist. Das bloße Gefühl, man könnte ja schon in Kürze einer giftigen Spinne zum Opfer fallen, lässt manche Menschen vor Angst erstarren. Der Witz besteht darin, dass die meisten Menschen Angst haben, während die Dinge um sie herum eigentlich ganz in Ordnung sind. Angst vor Arbeitslosigkeit haben ausschließlich Menschen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen. Die Angst vor Ausländern, Migranten und Asylsuchenden ist besonders hoch in Regionen, in denen es kaum welche gibt.

Wie kommt das? Ein Festhalten an Gewohntem wird biochemisch als Belohnung wahrgenommen. Kann man sich in gewohnten Bahnen und Abläufen bewegen, empfindet der Körper eine Art "Grundglücklichkeit". Und jede Nachricht über bevorstehende Veränderungen wird als unangenehm empfunden. Das ist nicht nur bei Sachsen oder Deutschen so, dies ist bei allen Menschen gleich. 
Wie bedrohlich ich die Welt empfinde und wie sehr ich Bedrohungen und Misserfolge fürchte (besser: Angst vor ihnen habe), wie sehr ich Sicherheit suche - das wiederum ist bei vielen Menschen unterschiedlich entwickelt - und entscheidet sich bereits vor unserer Geburt.

Wenn der "Wutbürger" sich nicht abregen kann


Dauerängstliche oder -besorgte Menschen unterscheiden sich hierbei auf folgende Art und Weise: Bei ihnen herrscht im Körper im Vergleich zu weniger ängstlich-besorgten Zeitgenossen ein Mangel an Serotonin 1A und endogenen Opiaten, dafür aber ein erhöhter Spiegel an Serotonin 2A und den Stresshormonen Noradrenalin und Cortisol.
Serotonin ist ein Hormon, das sehr komplex wirkt. Vereinfacht gesagt, ist es ein "Beruhigungshormon", das dem Körper mitteilt: "Ist schon gut, reg dich wieder ab!" Beim ängstlich-aufgeregten neurotischen "Wutbürger" - laut Spiegel online "plump, ungebildet, ordnungsbesessen, nationalistisch, fremdenfeindlich, wutgetrieben, kompromisslos, strafend, zentralistisch"- funktioniert dieses Abregungssystem weniger gut, - und ein Mensch voller Ängste sitzt einem gegenüber, verzweifelt vor Gram im Angesicht all der drohenden Gefahren, die er in seiner Umwelt wahrzunehmen meint.

Das Stressverarbeitungssystem des Menschen funktioniert normalerweise etwa so: Eine kleine Stelle im Zwischenhirn, der so genannte Hypothalamus - gerade einmal so groß wie eine Fingerkuppe und nur 5 g schwer - schüttet zunächst ein Releasinghormon aus, das die noch kleinere Hypophyse (eine Drüse aus Nervenzellen) in der Nähe veranlasst, Adrenalin und Noradrenalin auszuschütten, zwei Hormone, die über den Blutkreislauf zur Nebenniere gelangen (eine Art Kappe, die auf den Nieren sitzt), wo die Ausschüttung des weiteren Stresshomons Cortisol veranlasst wird. Während Adrenalin und Noradrenalin eher für akute Stresssymptome wie z. B. einen beschleunigten Herzschlag zuständig sind, bewirkt eine dauerhaft hohe Dosis an Cortisol im Körper nicht nur Unruhe, sondern auch eine Dämpfung des Immunsystems - einer der Gründe, warum wir bei Dauerstress oder nach anstrengenden Wettkämpfen oft krank werden.

Aufregen, abregen


Zum Glück existiert im Körper eine negative Rückkopplung, das heißt, wenn viel Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin den Körper fluten, wird dies in im Hypothalamus-Hypophysen-System registriert und die Ausschüttung der Hormone in diesem Bereich wird wieder gedrosselt. Im Selbstberuhigungssystem wird mit Hilfe des "Beruhigungshormons" Serotonin über den Hirnstamm auf Hippocampus, Amygdala ("das Angstzentrum") und Großhirnrinde zurückgewirkt. Dieser Mechanismus funktioniert beim dauerängstlichen oder depressiven Menschen teilweise nicht. Folge sind eine erhöhte Bedrohungsempfindlichkeit und eine verminderte Frustrationstoleranz.

Dies erklärt nebenher auch, warum unter Stress die Rigidität des Verhaltens ansteigt. Die Aktivität des Cortex (der Bereich des Gehirns, wo bspw. Mathematik-Aufgaben gelöst werden sollen) wird gedämpft, die der Amygdala steigt - daher geraten Mathe-Arbeiten für Menschen, die sich vor Mathe-Arbeiten ängstigen, immer wieder zum Flop - und jeder Flop verstärkt die Angst vor der nächsten Mathe-Arbeit - ein Teufelskreis.

Und noch ein Problem: Die Amygdala vergisst nicht. Was einmal fehlkonditioniert wurde, ist praktisch unauslöschlich dort eingebrannt.

Aber warum haben Menschen wie die oben geschilderte Kollegin zwar Angst vor Computerstrahlen, aber nicht vor der Gefahr, an Lungenkrebs zu erkranken? Auch dies ist neurobiologisch erklärbar: In den Momenten, in denen bei einem Raucher der Wunsch nach der nächsten Zigarette entsteht, steigt die Hirnaktivität vor allem im präfrontalen Cortex, in der Amygdala und im Ventralen Tegmentalen Areal (VTA)  an. Zudem steigt der Serotonin-Spiegel ("Beruhigungshormon"), das wiederum den Spiegel des "Stresshormons" Cortisol senkt. Bereits der bloße Gedanke an eine Zigarette - macht Raucher glücklich.
Und das regelmäßige Rauchen wird als Gewohnheit zusätzlich als Belohnung empfunden, Phasen der Abstinenz jedoch als Bestrafung. Raucher kennen das. 

PS.: Eine Etage tiefer im Gehirn, im vegetativen Hirnstamm, der untersten limbischen Ebene des Gehirns, sitzt noch unser unmittelbares Überlebensprogramm, das uns am Leben erhält, mitsamt seinen angeborenen Reaktionen: Neben den vegetativen Zentren geht es hier um Hunger und Durst, um Sexualität, Organsteuerung, Kreislauf, Blutdruck, Atmung sowie um die Steuerung von Schlafen und Wachen, aber auch um Affekte wie Aggression oder Flucht - kurz gesagt: ums menschliche "Temperament". Dieser vollkommen unbewusst vor sich hin arbeitende Bereich ist durch Erfahrung oder Erziehung nicht beeinflussbar und soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Kommt er zum Erliegen, sind wir tot. 

Traumatisierte Mutter, depressives Kind


Wie entsteht nun ein gestörtes Stressverarbeitungssystem und damit ein Mensch, der sich nicht mehr richtig selbst beruhigen kann?

Stressstoffe wie Cortisol können die Blut-Hirn-Schranke im Gehirn des Embryos passieren. So entstehen vorgeburtliche Beeinträchtigungen, etwa wenn die schwangere Mutter traumatisiert wurde. Das Gehirn der Mutter fungiert hier quasi als Matritze für die Andockstellen des Cortisols im Gehirn des sich entwickelnden Embryos. So wird bereits kurz nach der Entstehung des kindlichen Gehirns dort über die hormonellen Einflüsse der Mutter epigenetisch entschieden, ob das Kind später ein funktionierendes Stressverarbeitungs- und Selbstberuhigungssystem haben wird - oder ob nicht.

Eine traumatisierte, depressive Mutter hat also bereits vorgeburtlich einen möglicherweise verheerenden Einfluss auf die Ausbildung einiger späterer Persönlichkeitsmerkmale: auf das Maß an Offenheit/Verschlossenheit, auf Selbstvertrauen und Zuversichtsgefühl, auf die Ausprägung von Kreativität und Ordnungssinn, auf Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit des künftigen Erdenbürgers.


2. Das Bindungs- und Motivationssytem

"Hast du eine Mutter, dann hast du immer Butter."
(Helge Schneider)


Das Lächeln der Mutter des Autors (1968): Bindungsfähigkeit entsteht über frühkindlichen Blickkontakt. Diese frühkindliche Bindungserfahrung ist eigentlich die wichtigste Erfahrung in unserem Leben. Sie bestimmt entscheidend mit über unser späteres Selbstwertgefühl, unser Verantwortungsgefühl und unsere spätere Fähigkeit zur Empathie


Lächeln vollbringt viel Gutes


"Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann."
(Christian Morgenstern)

Man glaubt es nicht - aber für die seelische Entwicklung eines Menschen könnte nichts wichtiger sein als die Frage, ob er in seinen ersten Lebensjahren (besonders in den ersten drei) häufigen liebevollen Blickkontakt zu einer Bezugsperson hatte oder nicht.

Warum ist das so? Die basolaterale Amygdala, das ventrale tegmentale Areal (VTA), der Nucleus accumbens und die Basalganglien bilden die mittlere limbische Ebene der "Seele". Eine frühkindliche "Bindungserfahrung" bestimmt hier über die Entwicklung von Teilen des "Unbewussten Selbst" - beispielsweise die unbewusste Ebene der Wahrnehmung emotionaler kommunikativer Signale wie Mimik, Gestik, Körperhaltung oder von Pheromonen (Duftstoffen). Die Neurobiologen bezeichnen die Verarbeitungsfähigkeit dieser Dinge als menschliches "Bindungs- und Motivationssystem".
Eine Aktivierung des Motivationssystems kann durch Blickkontakt mit einem freundlich blickenden Menschen bewirkt werden (im VTA). Ein freundlicher Blickkontakt bewirkt zudem die Ausschüttung der Botenstoffe Dopamin ("Euphoriehormon") und Oxytocin ("Kuschelhormon") - das Lächeln einer geliebten Person macht Menschen glücklich!

In Versuchen verlängerte Oxytocin die Zeit, die Menschen damit verbrachten, anderen Menschen in die Augen zu blicken, und verbesserte ihre Fähigkeit, Emotionen im Gesichtsausdruck ihres Gegenübers abzulesen.
Durch Oxytocin können sogar in den Basalganglien neue Zellen gebildet werden. Eigentlich wachsen Nervenzellen einmal zu einer ausdifferenzierten Zelle heran - und das war es dann. Nicht so die Basalganglien! Diese sind für das instrumentelle Lernen wichtig. Hier werden unsere Gewohnheiten und Fertigkeiten des Fühlens, Denkens und Handelns tief verankert.

Die erste und zweite Ebene des limbischen Systems zusammen machen den Kern der Persönlichkeit eines Menschen aus. Er entwickelt sich in den ersten Lebensjahren - und bleibt dann weitgehend stabil.

Hieraus folgt: Eine Psychotherapie von Menschen, die hier in ihrer Kindheit zweifach vorgeschädigt sind, ist eigentlich schon ziemlich zwecklos. Kommt noch im dritten Bereich, der Sozialisationsphase, eine gravierende Störung hinzu, war es das mit dem Glück der Person. Spätestens ab dem 14. Lebensjahr ist die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen zu 80 Prozent abgeschlossen. Daran ändert auch die Pubertät nichts mehr, hier kommt es lediglich zu Gefühlsschwankungen, die durch die Flutung des Körpers mit Sexualhormonen entstehen.

Depressive Patienten, die angeben, dass eine Therapie bei ihnen erfolgreich angeschlagen habe, unterliegen einer Täuschung. Sie verwechseln eine erfolgreich zustande gekommene "therapeutische Allianz" und die sie begleitende Oxytocin-Ausschüttung mit einer Veränderung ihres seelischen Gesamtzustandes. Aber weder am Stressverarbeitungssytem noch am Bindungs-, Selbstberuhigungs- oder Motivationssystem kann eine Psychotherapie noch irgendetwas dauerhaft drehen. Auch die Zuwendung des besten Therapeuten ersetzt niemals das Lächeln deiner Mutter, - als du noch ein kleines Kind warst.


3. Vernunft und Sozialisation

"Einsamkeit, verbunden mit einem klaren, heiteren Bewusstsein ist, 
ich behaupte es, die einzig wahre Schule für einen Geist von edlen Anlagen."
(Gottfried Keller)

"Die Vernunft ist des Herzens größte Feindin."
(Giacomo Casanova)

Ob Sie dieses Essen lecker finden oder nicht, ist Resultat Ihrer Erfahrung und Sozialisation.
Falls Sie das nicht glauben wollen, stellen Sie sich einfach vor, das Bild zeige statt leckerem Wildschweingulasch Hundefutter, Tiger-Hoden oder Menschenfleisch.

Insekten? Lecker!


Ich bin voller Bewunderung für eine Jugendfreundin meiner Frau. Diese verspeist regelmäßig Insekten. Wie bitte? Sie haben richtig gehört. Im Rahmen ihres Studiums der Ökotrophologie hatte Pascale sich auf dieses Fachgebiet spezialisiert, einige Studien hierzu gelesen, Proben beschafft - und kurzerhand beschlossen, den Verzehr von Insekten - gesund, eiweißreich und immer verfügbar - einfach einmal selbst auszuprobieren. Ihr Freund Hans schloss sich an, und so finden sich in ihrer Küche neben Kochbüchern zur Zubereitung von Maden und Larven auch diverse Krabbeltierchen in getrockneter oder eingelegter Form. Was aber Pascale und ihrem Freund anscheinend recht einfach gelang, wäre mir und vielen anderen Menschen niemals möglich gewesen - die Überwindung sozialisationsbedingter Ekelgefühle durch Vernunft und Einsicht.

Dabei müssen es nicht einmal Insekten sein. Ihnen schmecken weder Matjes-Heringe noch Tilsiter Käse? Diese Lebensmittel sind äußerst gesund, also probieren Sie sie doch einfach mal! Ich habe das im Selbstversuch vor etwa einem Jahr getestet. Ich bekam genau einen Matjes-Hering herunter, dann war mir speiübel und ich brach das Experiment frustriert ab. Der zweite Matjes-Hering landete trotz seiner Omega-3-Fettsäuren und Fülle an Vitamin-D schweren Herzens in der Mülltonne. Für Hirnforscher ist dies nicht weiter überraschend. Das Gefühl siegt (fast) immer über den Verstand! Ohne Emotionen können Sie "vernünftiges" Handeln komplett vergessen! Oder, in Neurobiologen-Sprache ausgedrückt: Die Amygdala siegt immer über den Cortex, die Angst über den Verstand.

Dort - genauer: im dorsolateralen präfrontalen Cortex (in der oberen, vorderen Großhirnrinde) - schlummert sie nämlich: Ihre Fähigkeit zur Einsicht oder auch "Vernunft". Hier analysieren Sie mit Hilfe Ihrer Intelligenz die Lage, hier wird gerechnet und logisch argumentiert. 
Der Cortex (speziell der prä-, orbitofrontale, cinguläre und insuläre Cortex) bildet die obere limbische Ebene Ihrer Seele. Hier findet es statt: bewusstes, kognitives Lernen! Der dorsolaterale Cortex hat aber keine Verbindung zu den verhaltenssteuernden Zentren im Gehirn. Daher bringt es überhaupt nichts, an die Einsicht eines Menschen zu appellieren ("Sieh doch ein, dass Mathematik ein wichtiges Fach deiner Ausbildung ist und lerne jetzt mit Begeisterung diese Formeln!").

Was erlernbar ist


Welchen Teil Ihrer "Seele" können diese Hirnbereiche noch beeinflussen? Es sind vor allem das spätere Streben nach Gewinnen und Erfolgen, nach Anerkennung, nach Ruhm, Freundschaft, Liebe, sozialer Nähe, Moral und Ethik, die von den sozial-emotionalen Erfahrungen der späteren Kindheit und Jugend beeinflusst werden, aber auch - wir denken an den "bösen" Captain Kirk - Ihr mögliches Machtstreben und Dominanzverhalten sowie die Intensität Ihrer Zielverfolgung, Ihre Kommunikationsbereitschaft und letztlich auch Ihre Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und mit ihnen mitzufühlen. Letztere muss durch Sozialisation bewusst erlernt werden!

Die relevanten Bereiche Ihrer Persönlichkeit lassen sich laut Neurobiologen hier lokalisieren:
  • Individuell-soziales Ich: Rechter assoziativer Neocortex: Orbitofrontaler Cortex, ventromedialer präfrontaler Cortex, anteriorer cingulärer Cortex, insulärer Cortex
  • Kognitiv-kommunikatives Ich: Linker assoziativer Neocortex: Broca-Wernicke

Aber das können und werden Sie gleich wieder vergessen haben. Zum Bereich, in welchem die "Moral" sitzt, kommt aber weiter unten noch etwas Spannendes.

Kann man das alles noch steuern und verändern? Die Antwort lautet: Ja, im Prinzip schon - nämlich durch Belohnung und Bestrafung. Das Problem ist nur: Strafen wirken nicht, allenfalls einmal kurzfristig, sondern lassen den Bedrohten meist schnell abstumpfen und erzeugen nur den Wunsch nach Rache, Belohnungen wirken allerdings überwiegend auch nicht, da sie ebenfalls einer schnellen "Sättigung" unterliegen. Jeder, der sich ein neues Smartphone angeschafft hat, kennt das. Eben noch fühlte man den Kick, nach kurzer Zeit jedoch schon ist das neue Handy Teil der grauen Normalität geworden und man blickt eher unzufrieden darauf. Auch Bonus-Zahlungen am Jahresende sind sinnlos, da sie in einem zu weiten Abstand des Handelns angesiedelt sind und nicht mehr als Belohnung emotional wirken können. Eine Senkung der Zahlung, sogar eine Beibehaltung in gleicher Höhe hingegen kann durchaus als Bestrafung empfunden werden und ist somit vollkommen kontraproduktiv. Ein Festhalten an Gewohntem wird ja als Belohnung empfunden. Daher sind Menschen eben so veränderungsresistent und stehen Neuem oft so feindselig gegenüber, mag es nun ein neuer Arbeitsablauf oder die Ankunft vieler Flüchtlinge aus einem fremden Kulturkreis sein.

Die einzige Belohnung, die nicht der Sättigung unterliegt, ist die „intrinsische Belohnung“. Die besteht laut dem Neurobiologen Gerhard Roth in:

- der Freude am Gelingen
- der Selbstbestätigung
- dem Gefühl der Verwirklichung eigener Fähigkeiten und Wünsche
- dem Nachweis, besser zu sein als andere
- der Überzeugung, an einer wichtigen Sache mitzuwirken

(Quelle: https://youtu.be/3tJwoxYh2FU)

Dies sollte eigentlich über jeder Schultür stehen. Auf das Schreiben dieses Blog-Artikels trifft jedenfalls zu, was Roth postuliert: Ich habe das Gefühl, etwas Interessantes zu schreiben (sagen Sie jetzt nichts!), habe Freude am Gelingen, bin der Ansicht, dass viele dies nicht so schön formulieren können wie ich (sagen Sie bitte weiterhin nichts!) und bin der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass Menschen diese Zusammenhänge begreifen. Und schon macht das Schreiben dieses Artikels Spaß! Ich mache das ganz freiwillig! In meiner Freizeit!
Aber geben Sie das einmal einem Schüler oder Studenten als Hausaufgabe auf! Er wird sich plagen, alles auf den letzten Drücker aufschieben - und alle Inhalte nach spätestens sechs Wochen wieder vergessen haben.


4. Moral = Impulshemmungssytem + Risikowahrnehmung

"Wer nichts wagt, der darf nichts hoffen."
(Friedrich Schiller)



Phineas P. Gage (1823 - 1860) mit der Eisenstange, die seinen Schädel durchschlug.
Quelle: Author of underlying work unknown. File:PhineasPGage.jpg, Gemeinfrei, $3


Wenn einem eine zwei Meter lange Eisenstange ein Stück Gehirn raushaut


Die so genannte "Moral" steckt im orbitofrontalen Cortex - dem Bereich des Gehirns direkt in der Mitte oberhalb der Augenhöhlen. Das wissen wir dank Phineas P. Gage. 1848 hatte der Eisenbahnvorarbeiter einen gruseligen Unfall. Bei einer Explosion durchschlug eine zwei Meter lange Eisenstange seinen Schädel - sie trat im Bereich der Wange unterhalb des Jochbeins in den Schädel ein, zertrümmerte sein linkes Auge und trat in der vorderen Mitte seines Hirnschädels wieder aus. Dabei nahm sie einen Teil seines orbitofrontalen Cortex' für immer mit sich. Aus dem freundlichen und verantwortungsbewussten jungen Mann wurde fortan ein fluchender und rücksichtsloser Zeitgenosse. Seit Phineas P. Gage und seiner tragischen Hirnverletzung wissen wir, für welche Aufgaben dieser Teil des Gehirns zuständig ist:
  • Erkennen emotionaler Ausdrücke und Sinngehalte im Verhalten anderer 
  • Impulskontrolle (durch Hemmung anderer limbischer Zentren, insbesondere der Amygdala und des Hypothalamus)
  • Lernen und Steuerung sozial angemessenen Verhaltens
  • Risikoabschätzung von Konsequenzen bspw. unangemessenen Verhaltens


Was guckst du!?!


Psychopathen haben oft Schwierigkeiten, mimische Signale richtig zu deuten. Beispielweise können sie einen ängstlichen Gesichtsausdruck durchaus fälschlich als aggressiv interpretieren. Verletzungen im Bereich der orbitofrontalen Cortex, z. B. durch einen Schlaganfall, können sogar aus einer Mutter Theresa über Nacht ein rücksichtsloses Monster machen.

Kurz: Dieser Bereich des Gehirns sagt uns, ob unser Handeln sozial verträglich ist oder nicht, und er entscheidet mit Hilfe der Hormone Dopamin, Serotonin 2A und Noradrenalin darüber, wie sehr man von unmittelbar auftauchenden Motiven (einem leckeren Getränk, Essen oder einem plötzlich auftauchenden attraktiven Gegenüber) zu einer Handlung getrieben wird. Die Impulsbeherrschung und Selbstkontrolle werden von den Stoffen Glutamat und GABA (Gammaaminobuttersäure) beeinflusst, für die Steuerung des Risikoverhaltens sind vor allem Dopamin und endogene Opiate verantwortlich.
Bei schweren Alkoholikern ist der Glutamat-Stoffwechsel gestört, daher fallen diese oft als ungehemmt und unbeherrscht auf.

Der "böse" Captain Kirk im anfangs geschilderten Beispiel leidet unter dem Problem, dass er weder erkennen kann, welche Gefühle seine Gegenüber gerade bewegen, noch abschätzen kann, welches Risiko seine Entscheidungen mit sich bringen. Eine Impulskontrolle fehlt ihm, daher besorgt er sich spontan Brandy, weil er gerade Lust darauf hat, daher fällt er über Yeoman Janice Rand her, weil es ihn gerade nach sexueller Betätigung gelüstet (und Alkohol die Risikowahrnehmung noch weiter herabsetzt), daher versteht er nicht, dass sein ganzes Verhalten sozial unangemessen ist. Sein Angstzentrum wiederum wird vom orbitofrontalen Cortex auch nicht gehemmt, daher bricht er schnell zusammen, als man es schafft, ihm einmal richtig Angst zu machen. Dem "guten" Captain Kirk gelingt dies dadurch, dass er ihm - frei von jeder Angst, obwohl sein Gegenüber ihn mit einem Phaser bedroht - einfach das Folgende sagt: "Wenn du MICH tötest, - dann sterben WIR BEIDE!"


Ich denke, also bin ich

"Das Unbewusste ist viel moralischer, als das Bewusste wahrhaben will."
(Sigmund Freud)

"Ich denke, also bin ich."
(René Descartes)


By Anonymous - Camille Flammarion, L'Atmosphere: Météorologie Populaire (Paris, 1888), pp. 163, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=318054

Den Zipfel des Universums für eine Sekunde zu fassen kriegen


Vielleicht kennen auch Sie diese Momente. Man sitzt irgendwo ohne größere Ablenkung herum und denkt plötzlich: Wieso sehe ich die Umwelt gerade so, wie ich sie sehe? Warum bin ich ich - und in MIR drin und nicht in jemand anderem? Für einen Augenblick bleibt dann die Welt stehen und man hat ein ähnliches Gefühl wie bei einem Déjà-vu. Es ist, als habe man einen Zipfel des Universums zu fassen gekriegt, und den Vorhang ein wenig angehoben. Aber der Moment ist flüchtig, und schon kurz darauf geht man wieder seinen alltäglichen Beschäftigungen nach und vergisst das Ganze. Es íst, als habe ein Schöpfer einem eine innere Sperre gesetzt, damit man dem Geheimnis seines Bewusstseins nicht auf die Spur kommt.

Wie viele Menschen vor uns mögen diesen Moment der Selbsterkenntnis schon gehabt haben? Und alle sind sie gestorben, und von ihrem Gehirn blieb nichts weiter übrig als die Materie und die Energie, die sich im Universum neu verteilt hat. Erinnern Sie sich an die Zeit vor Ihrer Geburt? Nein? Das können Sie auch gar nicht. Und doch waren da bereits die Materie und die Energie da, aus denen sich nach Ihrer Zeugung Ihr Körper und Ihr Geist zusammengesetzt haben. Und so wird es auch nach Ihrem Tod sein - Sie werden vergehen, aber das, woraus Sie jetzt gerade bestehen, - das wird sich neu zusammensetzen. Vielleicht setzen Sie sich als Stein zusammen, vielleicht aber auch als hübscher Schmetterling oder als majestätischer Steinadler.

Oder gar als Raumschiff-Captain.

Wer weiß das schon?



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Weblinks

Gerhard Roth: Wie das Gehirn die Seele formt
https://www.dasgehirn.info/entdecken/grosse-fragen-1/wie-das-gehirn-die-seele-formt-6091/

Limbisches System
https://de.wikipedia.org/wiki/Limbisches_System

Oxytozin - mehr als nur ein Kuschelhormon
http://www.spektrum.de/news/oxytozin-mehr-als-nur-ein-kuschelhormon/1357235



Sonntag, 14. Februar 2016

30 Jahre Führerschein

"Eines der besten Mittel gegen das Altwerden ist das Dösen am Steuer eines fahrenden Autos."
(Juan Manuel Fangio)

Heute vor 30 Jahren bestand ich endlich meine Führerscheinprüfung. Am Valentinstag 1986 entstieg ich überglücklich dem Fahrschulauto, denn dies war bereits mein zweiter Anlauf gewesen. Beim ersten Versuch hatte ich beim Linksabbiegen einer von rechts kommenden Frau galant die Vorfahrt gewährt, was der Prüfer, ein Herr Rübenhagen, allerdings als fehlende Kenntnis von Vorfahrtsregeln deutete und daraufhin die Prüfung abbrach. Auch schien ihm meine sture "Tempo-49"-Fahrweise auf die Nerven gegangen zu sein, über die er einen abfälligen Kommentar machte.

Zwei Wochen später hatte ich die erneute Chance, den begehrten "Lappen" zu erhalten - beim gleichen Prüfer. Ich hatte ein ziemlich mieses Gefühl und ließ allen anderen an diesem Tag erst einmal den Vortritt. Alle (!) fielen durch. Dann kam ich dran.

Ich fuhr zügig, was dem Prüfer zu gefallen schien, schaffte es sogar, bei Schnee und Eis den Wagen rückwärts einzuparken, und würgte den Motor nur einmal ab, weil mein Knie vor Aufregung zitterte. Diesmal gewährte ich niemandem unnötig die Vorfahrt, einem Golf nahm ich sie sogar beinahe - beide Augenbrauen des Fahrlehrers rauschten in die Höhe. Herrn Rübenhagen hingegen schien meine neue, offensivere Fahrweise zu gefallen. Vom Rücksitz ertönte es jedenfalls wohlwollend: "Endlich zeigen Sie mal, was Sie können!"

Damals gab es noch keine Probezeit, und als ich den begehrten Schein endlich in der Hand hielt, wusste ich: Damit konnte ich jetzt (sofern ich keinen wirklich großen Mist bauen würde) bis ans Lebensende Auto fahren.

Auch meine gleichaltrigen Freunde aus Wermelskirchen und Rheinberg bestanden damals ihre Führerscheinprüfungen. Hier einige Fotos solcher Jugendfreunde:


Mein Jugendfreund Michael starb 1986 bei einem Motorradunfall.

Kindergartenfreund Volker starb zur gleichen Zeit als Beifahrer eines Autos.

Grundschulfreund Thomas starb 1986 am Steuer seines Autos und nahm seine Freundin mit ins Grab.

Warum zeige ich hier Fotos von Gräbern? Weil genauso gut ICH da liegen könnte. Während meiner 30-jährigen Fahrpraxis bin ich immer wieder einmal in gefährliche Situationen geraten. Die gefährlichsten jedoch erlebte ich im ersten Jahr nach der Führerscheinprüfung. Und ich habe sie allesamt selbst verursacht.

Niemand fährt schlimmer als 18-jährige Männer. Zu meinem besten Freund fuhr - bzw. flog - ich regelmäßig über eine Kurvenstrecke, die ich in- und auswendig zu kennen meinte, beinahe auf zwei Rädern, so schwungvoll legte ich mich in die Kurven. Die Strecke wird hier aufgrund des im Herbst dort liegenden Laubes auch "die grüne Hölle" genannt. Man rutscht leicht weg. Einmal brach mein VW Polo in einer Rechtskurve plötzlich nach links aus, so dass ich auf die Gegenspur herüberrutschte, ausgerechnet in dem Augenblick, als mir ein Müllwagen der Stadtreinigung entgegen kam. Nur um Haaresbreite entging ich einem tödlichen Crash.

Unweit dieser Stelle meinte ich einmal einen etwas langsameren Verkehrsteilnehmer überholen zu müssen, was sich dann aber unerwartet in die Länge zog, bis mir in einer Kurve plötzlich ein Wagen entgegen kam. Eine Vollbremsung und blitzschnelles Wiedereinscheren retteten mir und meinem Gegenüber gerade noch so das Leben.

Natürlich kann man auch schuldlos sterben, ich erinnere mich an mir entgegen hüpfende Radkappen auf der Autobahn, auf Abfahrten frontal entgegenkommende Geisterfahrer-LKWs, an unmittelbar vor mir mit der Mittelleitplanke kollidierende Rentner-Autos und während der Fahrt einschlafende Mitfahrzentralen-Fahrer.

Was man in 30 Jahren am oder neben dem Steuer eines Autos halt so erlebt.

Jedes Jahr gibt es in Nordrhein-Westfalen über 500 Unfalltote (Quelle: Polizei). Das bedeutet, dass jede Woche in diesem Bundesland 10 Menschen auf den Straßen sterben. Hinzu kommen über 12.000 Schwerverletzte bei über 75.000 Verunglückten insgesamt. Wohlgemerkt, allein in diesem Bundesland.

Ich fahre heute seit 30 Jahren Auto - und zwar unfallfrei. Ich hatte Glück. Anders als Michael, Volker und Thomas. Ich bin mir dessen bewusst, jeden Tag aufs Neue.




Der begehrte "Lappen".
Ähnlichkeiten mit der Person auf dem Foto sind allenfalls zufälliger Natur.